Bestseller-Autor Wolfgang Eckert über das Schreiben und sein neues Buch "Zerrissenes Kind"

Wolfgang Eckert war zu DDR-Zeiten einer der viel gelesenen Autoren. Bis heute ist der über 80-Jährige produktiv und veröffentlicht seit einigen Jahren im Omnino Verlag:

Lieber Wolfgang Eckert. Gerade ist Ihr neues Buch "Zerrissenes Kind" erschienen. Das wievielte Buch ist es von Ihnen?
Eckert: Es ist das 20. Buch. Eines davon habe ich mit meinem leider verstorbenen Freund, dem Kabarettist der Leipziger "Pfeffermühle" Hanskarl Hoerning geschrieben. Hinzu kommen ein Fernsehspiel und ein Theaterstück. Das alles geschah in einem Zeitraum von 50 Jahren. Ich habe mich literarisch in vielen Genrés bewegt: Roman, Erzählungen, Biografie, Autobiografie, Feuilleton, Aphorismen, Essay, Lyrik. Ich hoffe, ich habe dabei immer die richtige Ausdrucksform gefunden. Am 21. Buch mit autobiografischem Charakter  schreibe ich zur Zeit. Ich möchte mit ihm anderen Menschen Mut machen, denen es ähnlich wie mir erging oder ergeht. Ich bin an Darmkrebs erkrankt, habe einen langen Krankenhausaufenthalt und eine schwere OP hinter mir. Ich lag eine Woche im Koma. Ich habe bedingt dadurch, eine veränderte Sicht auf das Leben gefunden.  Vieles um einen ist plötzlich so unwichtig und lächerlich geworden. Es ist auch eine gedankliche Beschäftigung mit dem Tod. Wenn er da ist, bemerken wir ihn nicht. Wenn er nicht da ist, leben wir. Wir brauchen also keine Angst vor ihm zu haben. Ich habe nur Angst vor dem Alleinsein. 
Wofür steht "Zerrissenes Kind" in Ihrem Lebenswerk und was ist die Geschichte Ihres Buches?
Eckert:  "Zerrissenes Kind" ist die Weiterführung des Lebens der Familie Paul Weidauers aus dem 1982 erschienenen Roman "Familienfoto", aber nun nach der Wende unter ganz anderen Bedingungen. Konkret zur Geschichte sage ich nichts. Wenn eine Platzanweiserin dem Kinobesucher schon vorher sagt, was er gleich sieht, geht der gar nicht erst hinein. Soviel vielleicht nur: Ich habe die Geschichte nach den fünfaktischen Tragödien des Aristoteles aufgebaut: 1. Einführung der handelnden Figuren. 2. Hinwendung zum Höhepunkt. 3. Der Höhepunkt. 4. Mögliches Abwenden der Tragödie. 5. Die Tragödie. Vielleicht sagt das etwas über die Stimmung in dem Buch aus. Ich versuche, auf ein zunehmendes Problem in unserer Gesellschaft aufmerksam zu machen. Immer mehr Menschen können nicht weiter miteinander auskommen. Sie sind nicht in der Lage, gemeinsam mit Problemen fertig zu werden.  Manchmal entsteht der Eindruck, Männer haben Frauen gegenüber eine feindliche Haltung. Das kann aber auch umgekehrt sein: Frauen sehen Männer als eine Gefahr. Die gesellschaftlichen Bedingungen und auch Teile der Unterhaltungskunst fördern solches Denken.
Wie autobiografisch ist der Text?
Eckert: Er betrifft mich mittelbar. Ich habe ihn ganz aus der Nähe miterlebt, aber zu meiner Bestürzung festgestellt, daß er sich häufig verallgemeinern läßt, also ein Problem in unserer Gesellschaft ist. Da wurde er für mich literarisch interessant. Und vorher bin ich auf einen Satz Albert Einsteins gestoßen: "Es gibt keine großen Entdeckungen, solange es noch ein unglückliches Kind auf Erden gibt." 
Ich bin ziemlich nahe am Scheitern zweier Ehen beteiligt gewesen. Ihre Auswirkungen auf die Kinder , deren psychische Beschädigung, sind mir nahe gegangen. Wir haben eine Verantwortung ihnen gegenüber. Sie sind die nachfolgende Generation. Wenn wir in vielen Fällen versagen, gefährden wir die Zukunft- Und was uns in der Kindheit an Bösem zustieß, können wir nun im Alter oft nicht mehr reparieren.
Sie sind trotz Ihres hohen Alters einer der produktivsten Autoren. Was treibt Sie an?
Eckert: Die Neugier auf das Leben. Ich lebe gern. Die Lust, sich einzumischen. Die meisten meiner Bücher sind gegenwartsbezogen. Dabei bricht bei mir angesichts dieser Welt oft die satirische Ader durch. Ich baue mir beim Schreiben einen bestimmten Leser vor mir auf. Ich bin mit ihm per Du. Siehst Du das auch so oder regt es Dich zumindest zum Nachdenken an? Ohne schreiben kann ich nicht leben. Ein Tag ohne ein paar aufgeschriebene Sätze scheint mir wie umsonst gewesen. Das soll aber nicht heißen, daß ich mich nicht an ihm erfreue. Aber dadurch, daß ich jeden Morgen gesundheitlich neuen Anlauf nehmen muß und Menschen um mich brauche, die  mir helfen, hat sich mein Lebensgefühl geändert. Ich weiß nun bewußter, daß Leben vergänglich ist. Ich hätte es mir aber ohne Mord und Totschlag gewünscht. Ich habe als Kind das Ende des zweiten Weltkrieges miterlebt, Tod und Hunger. Und nun bin ich wieder Zeuge. Ich erinnere mich noch an die Freude, als mein Vater heil aus dem Krieg zurückkehrte. Ich glaube unbelehrbar daran, daß Diejenigen, die Kriege anstiften, eines Tages zur Rechenschft gezogen werden. Ich bin ein unverbesserlicher Pazifist und habe mir einen Rest Glauben an das Gute bewahrt. Deshalb schreibe ich.  
Zum Buch: https://www.omnino-verlag.de/shop/Zerrissenes-Kind-Roman--Ein-Buch-von-Wolfgang-Eckert-108.htm
Eintrag vom 06.03.2023

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